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Nützliche Pilze machen Engerlingen den Gar aus – mit revolutionierter Ausbringung

Die fenaco will den Einsatz von Pilzen als Pflanzenschutzmittel revolutionieren. Profitieren werden insbesondere die Landwirtinnen und Landwirte in Bergregionen.

Die fenaco will den Einsatz von Pilzen als Pflanzenschutzmittel revolutionieren. Die Agrargenossenschaft lancierte dazu 2021 ein dreijähriges Projekt mit Agroscope. Profitieren werden insbesondere die Landwirtinnen und Landwirte in Bergregionen, denn die Anwendung der Pilze soll deutlich einfacher werden und auch in Hanglagen möglich sein.

Entomopathogene Pilze werden seit Jahrzehnten als biologische Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Als natürlicher Feind befallen sie Insekten und töten diese ab. Auch Hobbygärtner können in der LANDI Pilzgranulat gegen Engerlinge für Privathaushalte kaufen. Zur Anwendung kommen sie insbesondere gegen Engerlinge des Maikäfers, Junikäfers und Gartenlaubkäfers. Diese leben unterirdisch in Wiesen, Weiden und Rasenflächen und ernähren sich hauptsächlich von Graswurzeln. Dies hat unwillkommene Folgen, denn stark befallene Rasen- und Wiesenflächen sterben in der Folge ab. Igel, Dachse, Wildschweine und Vögel richten zusätzlichen Schaden an, wenn sie auf Futtersuche nach den Engerlingen sind.

Die herkömmliche Produktions- und Ausbringungsmethoden der nützlichen Pilze sind seit 30 Jahren im Einsatz. Anfang 2021 lancierte die fenaco Agrargenossenschaft mit der Forschungsanstalt Agroscope ein Projekt, um diese Methoden zu revolutionieren. Nachhaltige Lösungen sind mehr denn je gefordert, denn der Schaden durch Engerlinge für die Schweizer Landwirtschaft ist enorm. Alleine der Futterverlust für das Vieh und die Kosten für die Wiederherstellung stark geschädigter Futterweiden werden auf mehrere CHF 1 000 pro Hektare geschätzt. Schweizweit wurden bis heute etwa 3 000 Hektaren Wiesen gegen Engerlinge behandelt. Gemäss Schätzungen konnte damit gesamthaft ein Schaden von rund CHF 15 Millionen abgewendet werden.

Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt. Die fenaco investiert dafür insgesamt CHF 200 000. Ziel ist es, eine effizientere Massenproduktion von qualitativ hochwertigen Pilzsporen zu entwickeln. Zudem soll das Projekt die Ausbringung der Pilzsporen in Flüssigform ermöglichen. Das ist besonders wichtig für Landwirtinnen und Landwirte in Bergregionen, denn durch die Flüssigform ist die Bearbeitung von Hanglagen überhaupt erst möglich.

Klimawandel hat Einfluss auf Entwicklung von Schädlingen
Der Klimawandel macht sich auch bei Schädlingen in der Landwirtschaft bemerkbar. Insekten vergrössern ihr Verbreitungsgebiet, indem sie weiter nach Norden oder in höher gelegene Gebiete im Bergland vorrücken. Arten, die in einer bestimmten Gegend bisher nicht vorgekommen sind oder bedeutungslos waren, wandern in neue Gebiete ein und entwickeln grosse Populationen. «Diese Effekte dürften sich weiter verstärken», sagt Michael Feitknecht, Leiter fenaco Pflanzenbau, und fügt hinzu: «Die Landwirtinnen und Landwirte geraten in eine Zwickmühle zwischen dem zunehmenden Druck durch bodenbewohnende Schädlinge und dem Fehlen effizienter Massnahmen gegen diese Schädlinge – denn der Einsatz von chemisch-synthetischen Wirkstoffen soll ja weiter reduziert werden. Es ist daher dringend notwendig, nachhaltige und umweltschonende Massnahmen gegen bodenlebende Schädlinge zu entwickeln.»

Michael Feitknecht, Leiter Pflanzenschutz, fenaco
« Es ist dringend notwendig, nachhaltige und umweltschonende Massnahmen gegen bodenlebende Schädlinge zu entwickeln. »

Während entomopathogene Pilze als Pflanzenschutzmittel in anderen Teilen der Welt erfolgreich auf stetig grösser werdenden Flächen eingesetzt werden, sind sie in der Schweiz und ganz Europa nach wie vor unbedeutend im Vergleich zu chemischen Pflanzenschutzmitteln – obwohl hierzulande strengste Pflanzenschutzgesetze gelten und zahlreiche wissenschaftliche Studien die Wirksamkeit der entomopathogenen Pilze als biologisches Pflanzenschutzmittel unterstreichen. Das soll sich mit dem Projekt der fenaco und Agroscope ändern.

Ein neues Produktionsverfahren mit einer innovativen Ausbringungsart
Das Forschungsprojekt von fenaco und Agroscope beschreitet mit einem verbesserten Produktionsverfahren und einer neuen Ausbringungsart neue Wege. «Das Projekt könnte sich als ‹Game Changer› im biologischen und integrierten Pflanzenschutz erweisen», sagt Dr. Giselher Grabenweger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Ökologischer Pflanzenschutz im Ackerbau bei Agroscope und Mitinitiator des Projekts. Mit einer neuen Produktionsmethode sollen die Kapazität gesteigert und die Produktionszyklen verkürzt werden. Eine lückenlose Verfahrenskontrolle stellt zudem eine hohe Produktqualität sicher.

Dr. Giselher Grabenweger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Ökologischer Pflanzenschutz im Ackerbau, Agroscope
« Das Projekt könnte sich als ‹Game Changer› im biologischen und integrierten Pflanzenschutz erweisen. »

Eine weitere Innovation soll die Ausbringungsart der Pilze revolutionieren. «Wir wollen von der Feststoff-Fermentation mit Pilzgerste wegkommen und stattdessen die Pilzsporen in Flüssigform herstellen und ausbringen», sagt Giselher Grabenweger. Die Pilzsporen werden dabei als wasserlösliches Pulver zur Verfügung stehen. Damit können die Landwirtinnen und Landwirte die Pilzsporen in Flüssigform ausbringen, was auch in Hanglagen gut möglich ist. Die Technologie für ein mobiles Ausbringungsgerät besteht bereits und kann mit wenigen Anpassungen übernommen werden. Damit werden insbesondere Landwirtschaftsbetriebe im alpinen oder voralpinen Raum vom Projekt profitieren. Sie sind mit dem Klimawandel stärker von Schädlingen betroffen und haben gleichzeitig Mühe, mit herkömmlichen Methoden wirksame Massnahmen zu treffen.

Behandlungen im Freiland erfolgt, Resultate liegen Ende Jahr vor
Nach dem Projektstart Anfang 2021 erfolgten bereits erste Ausbringungen im Freiland. Aussagen zur Wirkung lassen sich gegen Ende 2021 treffen. «Wir gehen Schritt für Schritt vor», sagt Giselher Grabenweger. In verschiedenen Arbeitspaketen widmen sich die Forscher der Produktion von Pilzsporen, deren Lagerung vor dem Einsatz, den Ausbringungsmethoden im Freiland sowie der Produktqualität. «Am Ende soll die Anwendung effektiver, einfacher anwendbar und günstiger sein», sagt Dr. Fabian Schweizer, der Fachspezialist bei fenaco für Mikroorganismen im Pflanzenschutz. Dann können sich nützliche Pilze auch im grösseren Massstab als wirksame Alternative zu den chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln etablieren und dazu beitragen, dass deren Einsatz laufend reduziert wird.

Fabian Schweizer, Fachspezialist für Mikroorganismen im Pflanzenschutz, fenaco
« Am Ende soll die Anwendung effektiver, einfacher anwendbar und günstiger sein. »
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