Direkt zum Inhalt

Story 3 Minuten

«Eine Zweitausbildung in der Landwirtschaft macht man nur, wenn man sich sicher ist»

Vor zehn Jahren entschied sich der gelernte Maurer Sergio Poletti für eine Zweitausbildung zum Landwirt EFZ. Seine Leidenschaft ist die Landwirtschaft – und Schweizer Braunvieh.

Vor zehn Jahren entschied sich der gelernte Maurer Sergio Poletti für eine Zweitausbildung zum Landwirt EFZ. Seine Leidenschaft ist die Landwirtschaft – und Schweizer Braunvieh.

Zwischen Bälmeten, Bristen und Brunnistock, auf 640 Meter über Meer liegt im urnischen Erstfeld der Hof der Familie Poletti. Sergio Poletti hat den Betrieb vor fünf Jahren von seinen Schwiegereltern übernommen. Mit der Übernahme intensivierten er und seine Frau Sonja den Betrieb, vergrös­serten die Weidefläche von 12 auf 24 Hektaren und stellten von Mutterkuhhaltung auf Milchvieh um. «Schuld daran ist meine Leidenschaft für Braunvieh», begründet der 31-Jährige den eher unüblichen Entscheid. Die Milchproduktion ist sehr zeitintensiv und Sergio arbeitet zusätzlich im Nebenerwerb. Stolz schreitet er durch den Stall, den er 2017 umbauen liess. 16 Kühe stecken die Schnauze genüsslich ins Heu. Sie erbringen eine durchschnittliche Milchleistung von 7500 Liter Milch. Am ebenfalls nagelneuen Melkstand können vier Kühe gleichzeitig gemolken werden. Die Rohmilch wird von der Genossenschaft Zen­tralschweizer Milchproduzenten abgeholt und zu Trinkmilch weiterverarbeitet. Im Sommer, wenn die Tiere auf der Alp im Maderanertal sind, werden auch Alpmilch, Joghurt und Butter produziert. «Die Produkte werden unter anderem in der LANDI Uri verkauft», erzählt Sonja Poletti. Sergio Poletti ist Mitglied der LANDI Uri und bezieht fast alle Produkte für den täglichen, landwirtschaftlichen Gebrauch dort. 

Sergio Poletti
«  Die zusätzliche Lebenserfahrung ist ein Vorteil, wenn man Landwirt auf dem zweiten Bildungsweg lernt.  »

Landwirt auf dem zweiten Bildungsweg
Für Sergio Poletti war immer klar, dass er einst mal Landwirt werden will. Obwohl er selbst nicht in eine Bauernfamilie hineingeboren wurde: «Ich hatte Glück, dass ich eine Frau mit Hof gefunden habe», grinst er schelmisch. Seine Frau Sonja erklärt, dass ihr ­Vater, der den Familienbetrieb jahrzehntelang führte, mit 50 die Geschäftsführung für das Urner Agro-Treuhandbüro übernehmen konnte. «Der Zeitpunkt war ideal – Sergio war kurz vorher mit seiner Nachholbildung fertig.» Wie viele im Kanton Uri liess Sergio Poletti sich erst auf dem zweiten Bildungsweg, in der sogenannten Nachholbildung, zum Landwirt ausbilden. Bedingungen zum Start dieser berufsbegleitenden Ausbildung sind ein Fähigkeitszeugnis eines Erstberufes und ein Alter von mindestens 22 Jahren. Zudem muss eine landwirtschaftliche Praxistätigkeit von mindestens einem Jahr Vollzeit ausgewiesen werden können. Für die auf drei Jahre verteilte Ausbildungszeit ist auch eine vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen dem eigenen Heimbetrieb (Verbundbetrieb) und einem Lehrmeister (Leitbetrieb) notwendig. Während der Ausbildung darf zu maximal 50 Prozent nebenbei im Erst­beruf gearbeitet werden. «Manchmal denke ich mir schon, es hätte nicht geschadet, auch auf anderen Betrieben gearbeitet zu haben», gibt Sergio ­Poletti zu. So ist es bei der regulären Berufslehre zum Landwirt oder zur Landwirtin der Fall. «Andererseits ist man mit 22 schon etwas reifer als mit 16. So eine Zweitausbildung machst du nur, wenn du dir sicher bist.» Auch die zusätzliche Lebenserfahrung sei ein Vorteil.

Der Traum der Vollzeit-­Land­wirtschaft
Obwohl seine Leidenschaft die Landwirtschaft ist, arbeitet Sergio weiterhin im Nebenerwerb. Auch Sonja arbeitet Teilzeit als Primarlehrerin. «Die Betriebe bei uns im Kanton sind klein», sagt Sergio Poletti. «Man muss hier fast einem Nebenerwerb nachgehen. Nicht, um zu überleben, aber um Rückstellungen zu bilden für kommende Investitionen auf dem Betrieb.» Fast täglich ist er als Maurer auf dem Bau, kommt in der Woche auf ein durchschnittliches Pensum von ­40 Prozent. Im Stundenlohn erarbeitet er sich so den nötigen Zustupf. Denn Träume haben der Landwirt und seine Frau einige: «Unser grösster Wunsch ist natürlich, den Betrieb so zu vergrössern, damit wir von der Landwirtschaft leben können», sind sie sich einig. Aber auch eine Kombination des Heimbetriebs mit einem Alpwirtschaftsbetrieb könnten sie sich vorstellen. 
Und dann gibt es da noch eine Herzensangelegenheit von Sergio, die Braunvieh-Zucht. Schon jetzt behält er jeweils Jungvieh für die eigene Nachzucht. Derzeit hat er zehn Kälber. «In Zukunft möchte ich gerne eigene Braunvieh-Rinder verkaufen. Ich bin fasziniert von diesen Tieren.» Sagts und tätschelt liebevoll seine Lieblingskuh Bonita.

Newsletter
Newsletter
Möchten Sie am Ball bleiben und stets erfahren, was bei der fenaco Genossenschaft läuft?
Ja, anmelden