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Medienmitteilung 4 Minuten

fenaco Stadt-Land-Monitor 2023: Wahrgenommener Gegensatz wächst

Der zweite fenaco Stadt-Land-Monitor zeigt: Während sich der politische Stadt-Land-Graben stabilisiert hat, sind die von der Bevölkerung wahrgenommenen Unterschiede grösser geworden. In der Debatte um die Versorgungssicherheit ist man sich hingegen einig. Stadt und Land wollen die Inlandproduktion stärken.

Der zweite fenaco Stadt-Land-Monitor zeigt: Während sich der politische Stadt-Land-Graben stabilisiert hat, sind die von der Bevölkerung wahrgenommenen Unterschiede grösser geworden. In der Debatte um die Versorgungssicherheit ist man sich hingegen einig. Stadt und Land wollen die Inlandproduktion stärken. Bei den Lebensmitteln will eine grosse Mehrheit den Selbstversorgungsgrad von heute 57 auf durchschnittlich über 70 Prozent erhöhen, bei der Energie soll der Selbstversorgungsgrad mehr als verdoppelt werden. Die konkreten Massnahmen werden jedoch unterschiedlich eingeschätzt.

In kaum einem anderen Land sind Stadt und Land derart engmaschig verwoben wie in der Schweiz. Zugleich ist hierzulande das Stadt-Land-Spannungsfeld besonders prägend für den politischen Diskurs. Um das Verhältnis zwischen den beiden Lebenswelten besser greif- und messbar zu machen, hat die fenaco Genossenschaft 2021 in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Sotomo den repräsentativen fenaco Stadt-Land-Monitor lanciert. Die zweite Ausgabe zeigt, wie sich das politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Spannungsfeld seither entwickelt hat.

Stadt-Land-Graben in der Wahrnehmung grösser
In der Wahrnehmung der Bevölkerung hat sich der Stadt-Land-Gegensatz gegenüber 2021 um 3 Prozentpunkte vergrössert. Zwei Drittel der Befragten beobachten einen grossen Graben zwischen den beiden Lebenswelten. Zugelegt hat insbesondere der Teil der Befragten, der zwar einen grossen Stadt-Land-Gegensatz wahrnimmt, zugleich aber überzeugt ist, dass die Schweiz diesen gut auszuhalten vermag. Der Anteil dieser Gruppe ist von 40 auf 46 Prozent gestiegen. Nimmt man hingegen die eidgenössischen Volksabstimmungen als Messlatte, so hat sich der Graben stabilisiert. Während die Abstimmungsergebnisse 2020 und 2021 zwischen Grossstadt und Land stark voneinander abwichen, bewegten sie sich 2022 wieder im mehrjährigen Durchschnitt. Eine Ausnahme bildet die Volksinitiative gegen Massentierhaltung. Sie gehört zu den Top-5-Abstimmungen mit der grössten Stadt-Land-Differenz seit 1981 und steht sinnbildlich dafür, dass das Thema Landwirtschaft zwischen Stadt und Land besonders kontrovers diskutiert wird.

Die städtische und ländliche Bevölkerung fühlt sich gleichermassen unverstanden
Auch wenn bei Volksabstimmungen die grossen Städte häufig überstimmt werden, geht eine Mehrheit der Bevölkerung davon aus, dass die Städte in der Schweiz eher das Sagen haben. Im Vergleich zu 2021 sind jedoch immer mehr Städterinnen und Städter der Meinung, dass sie in der Schweiz zu wenig Gehör finden. So ist der Anteil der grossstädtischen Bevölkerung, der findet, die urbanen Interessen erhielten auf dem Land genug Beachtung, von 37 auf 28 Prozent markant gesunken. Umgekehrt fühlten sich bereits 2021 nur 30 Prozent der Landbevölkerung von den Städterinnen und Städtern gut verstanden. Dieser Anteil sank 2023 auf 27 Prozent.

Wunsch nach höherem Selbstversorgungsgrad
Die Versorgungssicherheit wurde während der Corona-Pandemie zum vieldiskutierten Thema. Der Krieg in der Ukraine und die drohende Energiemangellage intensivierten die Debatte. Der Stadt-Land-Monitor 2023 zeigt, dass sich die Schweizer Bevölkerung unabhängig vom Wohnort eine Stärkung der einheimischen Produktion wünscht. Eine grosse Mehrheit möchte den Anteil der im Inland produzierten Nahrungsmittel erhöhen, und zwar im Durchschnitt von aktuell 57 auf über 70 Prozent. Der Selbstversorgungsgrad bei der Energie soll von zurzeit rund 30 auf durchschnittlich fast 70 Prozent mehr als verdoppelt werden. Diese Einigkeit ist eine gute Voraussetzung, um gemeinsam etwas zu bewegen. Auch wenn es bei den konkreten Massnahmen deutliche Unterschiede gibt, insbesondere bei den Lebensmitteln.

Mehr inländische Nahrungsmittelproduktion ja – Intensivierung nein
Der Ansatz, zur Steigerung der Inlandproduktion die landwirtschaftliche Nutzfläche auszudehnen, wird vor allem auf dem Land unterstützt. Die pflanzliche zulasten der tierischen Nahrungsmittelproduktion zu erhöhen, stösst hingegen primär in den Städten auf Zustimmung. Eine Ertragssteigerung bei gleichen Flächen wird von beiden Lagern eher kritisch beurteilt, wobei die Ablehnung in urbanen Gebieten grösser ist. Einzig die neue Produktionsmethode Vertical Farming geniesst als Mittel zur intensiveren Nutzung einer Flächeneinheit breite Akzeptanz. Eine Mehrheit der Bevölkerung ist auch bereit, die raumplanerischen Voraussetzungen zu schaffen, damit die entsprechende Infrastruktur nicht nur in Gewerbezonen, sondern auch auf Landwirtschaftsbetrieben errichtet werden kann. Andere innovative Ansätze zur Ertragssteigerung, wie etwa Nahrungsmittel aus Zellkulturen und Züchtungen mit Genom-Editing, werden zurückhaltend beurteilt. Sie stossen jedoch nicht auf grundsätzliche Ablehnung. So ist beispielsweise lediglich ein Drittel der Befragten generell gegen Genom-Editing.

Hohe Akzeptanz für lokalen Energiehandel
Die Energieversorgung hat mit dem Krieg in der Ukraine eine neue Dringlichkeit erhalten. Um den Selbstversorgungsgrad bei der Energie zu erhöhen, will die Bevölkerung vor allem mehr Energie im Inland produzieren und dank Innovationen die Energieeffizienz steigern. Verzicht ist für die Mehrheit keine Option. Einzig in grösseren Städten geben 54 Prozent der Befragten an, ihren Energieverbrauch senken zu wollen. Deutlich befürwortet wird der Zubau von Solaranlagen an Gebäuden und auf Freiflächen sowie die Förderung der Wasser- und Windkraft. Für neue Atomkraftwerke sprechen sich nur 28 Prozent der Befragten aus. Die Akzeptanz für einen vereinfachten lokalen Energiehandel ist auf beiden Seiten des Stadt-Land-Grabens gross. 64 Prozent möchten, dass Gewerbetreibende oder Landwirtschaftsbetriebe den überschüssigen Strom aus eigener Produktion lokal an andere Verbraucher verkaufen können, statt ihn ins Energienetz grosser Anbieter einzuspeisen.

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