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Weniger Food Waste dank «Mindesthaltbarkeitsdatum plus»

Dank dem überarbeiteten Leitfaden zur Datierung von Lebensmitteln mit einem «Mindesthaltbarkeitsdatum plus» wird die Haltbarkeit von Lebensmitteln um bis zu 360 Tage verlängert.

Viele verpackte Lebensmittel werden weggeworfen, obwohl sie noch einwandfrei sind – nur, weil das aufgedruckte Datum vorbei ist. Dank zwei neuen, von der Arbeitsgruppe «foodsave2025» initiierten Leitfäden und dem «Mindesthaltbarkeitsdatum plus» können künftig Tausende Tonnen Lebensmittel gerettet werden.

«Diese neuen Richtlinien sind eine gewaltige Chance für Industrie, Detailhandel und Konsumentinnen und Konsumenten, den Umgang mit Lebensmittel und ihre tatsächliche Haltbarkeit neu zu denken!» Begeistert präsentiert Urs Vollmer, Verantwortlicher Nachhaltigkeit und Mitglied der Geschäftsleitung frigemo, einen Flyer: «Genuss ohne Risiko» steht da, und simple, aber ansprechende Grafiken illustrieren, wie lange Lebensmittel nach Ablauf ihres Mindesthaltbarkeitsdatums noch in einwandfreiem Zustand und daher geniessbar sind. Der Flyer ist das Ergebnis einer zweijährigen Studie der Arbeitsgruppe «foodsave2025», bestehend aus Vertreterinnen und Vertreten der Wissenschaft, von Spendenorganisationen und der Lebensmittelbranche. Dazu gehört auch Urs Vollmer. Gemeinsam tüftelt die Gruppe an pragmatischen Lösungen gegen Food Waste. Das jüngste Projekt ist eine zeitgemässe und sinnvolle Datierung von Lebensmitteln in der Schweiz einzuführen. Im Auftrag des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und unter der Federführung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) überarbeite die Gruppe also den Leitfaden zur Datierung von Lebensmitteln sowie den Produkt-Spende-Leitfaden und schnitt sie auf die Lebensmittelproduzenten zu.

Urs Vollmer, Verantwortlicher Nachhaltigkeit und Mitglied der Geschäftsleitung frigemo
« Das Mindesthaltbarkeitsdatum plus kann man fast als revolutionär bezeichnen! »

Haltbarkeit wird um bis zu 360 Tage verlängert

«Uns ist bewusst, dass viele verpackte Lebensmittel wegen des aufgedruckten Datums verschwendet werden, obwohl sie eigentlich nicht verdorben sind», sagt Judith Deflorin, Leiterin Fachbereich Marktzutritt beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Total werden in der Schweiz jedes Jahr rund 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittel vernichtet, viele davon, weil sie das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten und somit «abgelaufen» sind. 100 000 Tonnen davon fallen allein im Detailhandel an. Diese können künftig durch die Neuerungen in den Datierungs- und Spendenleitfäden zu einem grossen Teil vor dem Abfall bewahrt werden. «Das neue Kernelement der Leitfäden kann man schon fast als revolutionär bezeichnen», findet Urs Vollmer. Er spricht vom «Mindesthaltbarkeitsdatum plus» (MHD+). Dieses legt einen Zeitrahmen über das «normale» Mindesthaltbarkeitsdatum fest, innerhalb dessen ein Produkt bei korrekter Lagerung noch sicher und geniessbar ist; je nach Kategorie sind das zusätzliche sechs bis 360 Tage. Produkte mit Verbrauchsdatum, die zum Einfrieren geeignet sind, können als Tiefkühlprodukt ebenfalls weitere 90 Tage lang verwendet werden. 

Haltbarkeit von Lebensmitteln

Bei Nahrungsmitteln geben zwei Daten über die Geniessbarkeit Auskunft: Leichtverderbliche Lebensmittel mit Verbrauchsdatum (VD) müssen aus gesundheitlichen Gründen bis zu einem bestimmten Datum verbraucht werden. Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) auf einem Lebensmittel garantiert hingegen die Produktequalität bis zu diesem Zeitpunkt.

Mehr Handlungsspielraum für Detailhandel

Die Arbeitsgruppe «foodsave 2025» sieht in den neuen Leitfäden Vorteile für den gesamten Lebensmittelsektor. Denn mit den neuen Optionen müssen Produkte mit Verbrauchsdatum nicht zwingendermassen entsorgt und Produkte mit Mindesthaltbarkeitsdatum können länger konsumiert werden. Für Betriebe der Lebensmittelindustrie wie frigemo, Ramseier oder Ernst Sutter bedeutet dies, dass sie mehr der nicht verkauften Produkte an Lebensmittelhilfen wie etwa Tischlein deck dich oder die Schweizer Tafel spenden können. Und auch der Detailhandel erhält mehr Handlungsspielraum, um Food Waste zu vermeiden – sofern er denn tatsächlich anfällt: «Der Anteil an Lebensmitteln, die in den Volg Läden nicht mehr verkauft werden können, ist generell tief», erklärt Engelbert Dähler, Leiter Beschaffung und Mitglied der Geschäftsleitung von Volg Konsumwaren AG. Seit Anfang 2021 arbeitet das Unternehmen mit dem Startup «Too Good to Go» zusammen. Über diesen Kanal können Volg Kundinnen und Kunden kurz vor Ladenschluss die nicht rechtzeitig verkauften Lebensmittel zu einem stark reduzierten Preis als Überraschungspäckli abholen. Trotzdem begrüsst Dähler das verlängerte Haltbarkeitsdatum und den wegleitenden Flyer, der auch Konsumentinnen und Konsumenten als Orientierungshilfe für die korrekte Lagerung und Prüfung von Lebensmitteln dient: «Wir werden auf jeden Fall darauf aufmerksam machen und die Flyer in unseren Dorfläden abgeben. So können wir die Kundinnen und Kunden einmal mehr dafür sensibilisieren, Lebensmittel mit allen Sinnen zu prüfen – und sich nicht auf das Haltbarkeitsdatum zu fixieren.» Denn der Kampf gegen Food Waste ist dann erfolgreich, wenn alle Akteure – von der Konsumentin bis zum Produzenten – ihren Umgang mit Lebensmitteln kurz vor und auch nach dem Ablaufdatum neu denken.

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