Direkt zum Inhalt

Story 5 Minuten

Vom Wildblumenfeld in den Honigtopf

Zahlreiche Insekten finden in Wildblumenwiesen Nahrung und Unterschlupf.

Zahlreiche Insekten finden in Wildblumenwiesen Nahrung und Unterschlupf. Besonders Bienen freuen sich über süssen Nektar – und verarbeiten ihn auf dem Dach der fenaco in Winterthur zu Honig.

Seit den Eisheiligen blüht und summt es in Winterthur, der zweitgrössten Stadt des Kantons Zürich. Nicht weit von der Altstadt, beim Schloss Wülflingen, hat die fenaco Genossenschaft von der Landwirtschaftlichen Schule Strickhof rund 30 Aren Land zur freien Verfügung gestellt bekommen. Dort blühen nun vier verschiedene Wildblumenstreifen mit Wiesensalbei, Esparsetten, Margritten und Bitterkraut. Die bunten Flächen sind das Werk von Johannes Burri, Bereichsleiter Wildblumen bei UFA-Samen. UFA-Samen vertreibt reichblühende Wildblumenmischungen für unterschiedliche Standorte mit Wildblumen und Wildgräsern aus der Schweiz. Für jeden Standort und für jedes Bedürfnis gibt es die richtige Mischung – ob feucht, trocken oder in den Bergen. Und die Mischungen kommen an: Im Mai 2021 erhielten sie Bestnoten im Konsumentenmagazin K-Tipp. «Unser Ziel ist, der Bevölkerung über die gesamte Vegetationszeit hinweg etwas Blühendes zu zeigen», erklärt Burri. Der Blütenpracht in Winterthur vorangegangen ist eine monatelange, intensive Vorbereitung. Der Boden musste ordentlich bearbeitet und von Unkraut befreit werden. Danach musste er sich bis zur Aussaat mindestens einen Monat lang setzen.

Das Zuhause von Abertausenden Tierchen
Im Juni konnte die Parzelle schliesslich besät werden. «Wenn alles so läuft, wie ich es mir vorstelle, dann verstopft die Scheibe nicht», murmelt Burri und füllt das Saatgut in die Trichter seiner Sämaschine. «Ansonsten muss ich nach jeder Reihe die Scheiben rausputzen.» Burri bringt die unterschiedlichen Wildblumensamen mit einer pneumatischen Präzisionssämaschine in die Erde. Mittels Unterdruck werden die Körner an die Löcher einer rotierenden Säscheibe gesaugt und so voneinander getrennt. Am Abwurfpunkt fallen sie schliesslich einzeln in die geöffnete Furche. Vier Bahnen macht Burri pro Sorte, fährt mit seiner «Agricola Italiana» Sämaschine auf dem Feld zweimal hin und wieder zurück. Nach einem halben Tag ist er fertig. Dann ist Geduld gefragt. «Die Pflanzen brauchen ein bis zwei Monate, bis sie auskeimen», erklärt der Wildblumen-Spezialist. «Richtig blühen tun die Streifen erst nach einer Überwinterung.» Unkraut sei aber bereits nach wenigen Wochen sichtbar – und das sollte bloss nicht gejätet werden: «Das Unkraut schützt die frische Saat.» Elf Monate später zeigt sich: Das Warten hat sich gelohnt. Ende Mai blühen die Wildblumen in voller Pracht – fast wie bestellt zum Internationalen Tag der Biodiversität am 22. Mai. Das Timing ist natürlich Zufall. Dennoch leisten die Streifen einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität. «Diese Blühstreifen sind ein Mikrokosmos mit abertausenden Tierchen», führt Johannes Burri aus. Dank der Blühstreifen finden Bestäuber und andere Insekten Futter und einen Lebensraum. So sorgt die Fläche nicht nur für ein Lächeln bei Spaziergängerinnen und Spaziergängern, sondern trägt auch zum Erhalt der Artenvielfalt bei. Und für die Landwirtschaft gibt es noch einen zusätzlichen positiven Nebeneffekt: «Die vielen Nützlinge, die hier ein Zuhause finden, schützen auch benachbarte Felder vor Schadinsekten. »

Die Biene – das drittwichtigste Nutztier
Speziell dankbar für diese Futterquelle ist besonders ein Insekt. Knapp anderthalb Zentimeter lang, behaart und braun-gelb gestreift hat es sich dank seines süssen Erzeugnisses in unsere Herzen gesummt. Die Westliche Honigbiene – lateinisch Apis mellifera – leistet einen unschätzbaren Beitrag für die Biodiversität. Nebst der Honigproduktion sind Bienen nämlich für rund 80 Prozent der heimischen Nutz- und Wildpflanzenbestäubung zuständig. Ohne sie gäbe es weder Äpfel, Birnen, Kirschen noch viele andere Früchte. Eine Agroscope-Studie von 2017 hat den Wert der Bestäubung durch Bienen für die Landwirtschaft auf CHF 300 Millionen bis CHF 400 Millionen geschätzt. Das macht sie nach dem Rind und Schwein zum drittwichtigsten Nutztier. Die pelzigen Tiere haben aber mehr und mehr Mühe bei der Futtersuche. Landwirtinnen und Landwirte können bereits mit wenigen Massnahmen dazu beitragen, dass das Nahrungsangebot der Bienen geschützt wird, etwa durch schonendes Mähen früh morgens oder abends oder eben durch das Anlegen von Bienenweiden und artenreichen Heuwiesen. Nur rund 2,5 Kilometer von den Wildblumenstreifen beim Schloss Wülflingen entfernt kontrolliert Kaspar Stiefel wenige Wochen später zwei seiner Bienenvölker auf Weiselzellen, in denen Königinnen herangezogen werden. Auf dem Dach des Ostschweizer Sitzes der fenaco hat sich der leidenschaftliche Imker einen städtischen Bienenstand eingerichtet, der unter dem Namen «Möwe» beim Veterinäramt Zürich registriert ist. «Unsere Büros befanden sich früher auf der anderen Seite der Bahngeleise », erinnert sich Kaspar Stiefel bei der Frage danach, woher der seltsame Name stamme, schliesslich hausten hier keine Wasservögel. «Aus der Bezeichnung des Umzugsprojektes ist der Name für den Standort und den Bienenstand entstanden.»

Magazinimkerei auf dem Vormarsch
Kaspar Stiefel arbeitet schon seit 30 Jahren in unterschiedlichen Funktionen bei der fenaco. Seine Leidenschaft für Bienen, die er schon in Kindstagen entdeckte, hat ihn stets begleitet. Vor 12 Jahren begann er mit dem Imkern. Richtig bewusst wurde ihm die Wichtigkeit der Bienen für unser Ökosystem und die Landwirtschaft im Rahmen seiner Tätigkeit im Risikomanagement der fenaco-LANDI Gruppe: «Das Bestäubungsrisiko für Landwirtinnen und Landwirte ist relativ gross. Zehn Prozent des landwirtschaftlichen Ertrags stehen und fallen mit der Imkerei. » Ab 2014 baute er das Api-Center auf. Dieses Kompetenzzentrum für Bienen und Bestäubung wurde von der fenaco gegründet, um die Schweizer Imkerinnen und Imker mit preiswerten Produktionsmitteln zu versorgen und die Magazinimkerei zu fördern. «Die meisten kennen das traditionelle Bienenhaus mit Schweizerkasten», erklärt Kaspar Stiefel und hebt eine Brutwabe aus seinem Bienenvolk. «International hat sich aber die Magazinimkerei etabliert. Bei dieser Methode wird der Bienenstock von oben bewirtschaftet. Wenn ich schauen möchte, ob die Brut gesund ist, kann ich ganz einfach ein Rähmchen rausziehen.» Die Vorteile liegen für den Bienenexperten auf der Hand: Die Magazine können frei aufgestellt werden, das Volk kann beliebig nach oben erweitert werden, und dank der internationalen Popularität gibt es mehr und preiswerteres Equipment. Das vereinfache auch das Stadtimkern – «Urban Beekeeping», wie es immer mehr zum Trend unter jungen Städterinnen und Städtern wird. Den ersten Honig seiner Bienen von der «Möwe» hat Kaspar Stiefel bereits Anfang Juni geerntet. Ende Juli kann er in normalen Jahren ein zweites Mal ernten. Dieses Jahr war allerdings zu kalt, zu nass, zu windig. Danach erhalten die Bienen Zuckerwasser – nicht weil es billiger ist als Honig, sondern weil die Bienen mit Winterfutter aus Haushaltzucker gesünder überwintern. Den geernteten Honig wird seine Frau Kathrin zuhause schleudern. Denn Kaspar Stiefel arbeitet hier als Privatperson. «Die fenaco unterstützt mein Hobby und stellt mir das Dach ihres Ostschweizer Hauptsitzes zur Verfügung», erklärt er. «Aber natürlich fliessen die Erfahrungen als Imker auch in meine Arbeit ein. Gerade das macht es ja so spannend – bei den Bienen lernt man nie aus.» Auch die Mitarbeitenden am Standort profitieren von dem ungewöhnlichen Arrangement: Letztes Jahr erhielten sie zum Geburtstag ein Gläschen von Kaspar Stiefels Honig. Noch lokaler ist kaum möglich.

Newsletter
Newsletter
Möchten Sie am Ball bleiben und stets erfahren, was bei der fenaco Genossenschaft läuft?
Ja, anmelden