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Vom Bauer zum Brauer : «echte» Schweizer Biere

Über 1000 Brauereien in der Schweiz setzen auf Regionalität – heimische Braugerste hat Zukunft!

Mehr als 1000 Brauereien gibt es in der Schweiz. Einige von ihnen setzen bewusst auf einheimische Braugerste. Der Anbau birgt Potenzial für Schweizer Landwirtinnen und Landwirte.

Um ein gutes Bier zu produzieren, benötigt es bekanntlich drei Rohstoffe: Wasser, Hopfen und Malz. Für die Landwirtschaft volumenmässig interessant ist das Malz beziehungsweise die Braugerste, denn auf 1000 Liter Bier kommen je nach Bierstärke 100 bis 250 Kilogramm Malz, aber nur 1 Kilogramm getrocknete Hopfen­blüten. Malz entsteht, indem Gerste eingeweicht wird und während mehrerer Tage keimt. Die Keimfähigkeit ist deshalb neben dem Proteingehalt und der Grösse der Körner ausschlaggebend für gute Braugerste. Nach dem Einweichen werden die Körner getrocknet, gereinigt und schliesslich geschrotet. Damit wird die Stärke im Innern der Körner für den späteren Brauprozess zugänglich gemacht. Beim Maischen wird das geschrotete Malz dann wieder mit Wasser vermischt und erhitzt. Dabei wandelt sich die Stärke in Malzzucker um. 

Bei der nachgelagerten Läuterung wird die sogenannte Würze – eine zuckerhaltige Flüssigkeit – von den Rückständen der Malzkörner – dem Treber – getrennt. Der Treber wird hauptsächlich als Tierfutter eingesetzt, kann aber als Fleischalternative weiterverwendet werden, wie bei den YUP-Produkten von Ernst Sutter. Beim anschliessenden Kochvorgang kommt der Hopfen dazu. Er verleiht dem Bier Bitterkeit sowie Aroma und macht es haltbar. Der abgekühlten Würze wird die Bierhefe beigegeben. Sie wandelt während der Gärung den Malzzucker in Alkohol und Kohlensäure um. Die Hauptgärung dauert zwischen drei Tagen (obergärige Hefe) und einer Woche (untergärige Hefe). Insgesamt dauern die Nachgärung und Lagerung in handwerklich betriebenen Brauereien zwischen vier und zehn Wochen.

Roland Stalder
« Ausschlaggebend sind Proteingehalt, Hektolitergewicht und die Keimfähigkeit. »

Gute Rohstoffe aus der Schweiz

Heute können Brauereien auf Braugerste und Malz aus der Schweiz zurückgreifen. Das war nicht immer so. Dominik Füglistaller, Geschäftsführer der IG Mittelland Malz und Dozent für Agrarökologie an der Hochschule für Agrar-, Forst und Lebensmittelwissenschaften (HAFL), erklärt: «Mit Sortenversuchen und Anbauhilfen konnten wir zeigen, dass wir in der Schweiz in der Lage sind, hochwertige Braugerste zu produzieren.» Besonders wichtig sei dabei der Proteingehalt; dieser müsse zwischen neun und zwölf Prozent liegen. 

Beim Anbau können sich die Schweizer Landwirtinnen und Landwirte auf die bewährten Partner UFA-Samen, SEMAG und die HAFL verlassen. In den letzten Jahren hat sich die Wintergerste gegenüber der Sommergerste weitgehend durchgesetzt – mit wenig Ausnahmen, etwa für den Anbau in hohen Lagen. Die geerntete Braugerste wird an fünf Getreidesammelstellen in der Schweiz gesammelt und aufbereitet. «Diese achten auf Faktoren wie den Proteingehalt, das Hektolitergewicht und den Fremdbesatz der angelieferten Rohstoffe», erläutert Roland Stalder, Produktmanager Saatgetreide bei UFA-Samen in Lyssach (BE). Sind die Bedingungen nicht erfüllt, wird die Gerste als Tierfutter verwendet – mit entsprechend tieferem Vermarktungspreis. «Das ist schon eine Herausforderung», sagt Hannes Brunner. Der Landwirt aus Detligen (BE) produziert seit etwas über zehn Jahren Braugerste. «Man muss vorsichtig beim Düngen sein», betont er. «Wir bestimmen jeweils früh im Anbaujahr den Reststickstoff im Boden und entscheiden dann – unterstützt von der IG Mittellandmalz – wie viel wir noch düngen, damit der Proteingehalt nicht zu hoch wird.» Aktuell stagniert jedoch die Nachfrage nach Schweizer Braugerste. Vor einem allfälligen Anbauentscheid sollten interessierte Landwirtinnen und Landwirte mit dem jeweiligen Abnehmer (Bio, IP oder konventionell) Kontakt aufnehmen und den Flächenbedarf klären.
 

Hannes Brunner
« Man muss vorsichtig beim Düngen sein. »

Und das Malzen? Seit 2022 wird in der Schweiz wieder im industriellen Massstab gemälzt – in der Schweizer Mälzerei in Möriken-Wildegg (AG). Federführend waren dabei die IG Mittellandmalz und der Schweizer Unternehmer Christoph Nyfeler. Vorher war der Schritt über Malzwerke in Deutschland nötig. «Damit bleibt die Wertschöpfung in der Schweiz», freut sich Dominik Füglistaller. Und die Biertrinkerinnen und -trinker, die Wert auf die Schweizer Herkunft des Biers legen, können sich sicher sein, dass nicht nur die Rohstoffe aus der Schweiz stammen, sondern auch deren Verarbeitung hierzulande erfolgte.

In der Romandie übernahm die Partnergenossenschaft des Cercle des Agriculteurs de Genève (CAG) eine führende Rolle bei der Entwicklung des regionalen Markts für Braugerste und Malz. Unter dem kantonalen Label GRTA produzieren rund 15 Genfer Brauereien seit etwa zehn Jahren Biere mit Genfer Malz, das in der Mälzerei des CAG-Standorts in Satigny hergestellt wird. «Wir wollten eine Wertschöpfungskette schaffen, die für unsere Landwirtinnen und Landwirte einträglich und für die breite Öffentlichkeit attraktiv ist», betont der Geschäftsleiter Christophe Eyquem. Die LANDI Läden des Cercle des Agriculteurs de Genève verkaufen die Biere mit grossem Erfolg – jährlich werden etwa 30 000 Einheiten abgesetzt.

Was ist uns «echtes» Schweizer Bier wert?

Einer, der seit Jahren Schweizer Biere braut, ist Alex Künzle, der mittlerweile pensionierte, aber noch immer umtriebige Gründer der Öufi Brauerei in Solothurn. Zwei seiner Biere, das Südfuss und das Bio-Rotbier, setzen zu 100 Prozent auf Schweizer Herkunft. Sie sind für Alex Künzle eine Herzensangelegenheit, die aber auch wirtschaftlich Sinn machen musste. Beim Hopfen sei der Preisunterschied gegenüber dem Ausland nicht so hoch, erklärt der Patron des Familienbetriebs. Hiesiges Malz sei hingegen bis zu vier Mal teurer als die importierten Alternativen. Dennoch, auf eine einzelne Stange in der Beiz heruntergerechnet, sei das Bier aus Schweizer Wasser, Hopfen und Malz bloss 10 bis 15 Rappen teurer, rechnet Alex Künzle vor. «100 Prozent Schweizer Hopfen und Malz ist für viele Konsumentinnen und Konsumenten ein überzeugendes Verkaufsargument und somit ein Vorteil, den wir in der Werbung gerne hervorheben.».

Alex Künzle
« 100 Prozent Schweizer Hopfen und Malz ist ein überzeugendes Verkaufsargument. »

Zurzeit macht der Anteil der mit Schweizer Rohstoffen produzierten Biere selbst bei der Öufi Brauerei nur etwa einen Achtel der Gesamtproduktion aus. Es besteht also noch viel Potenzial für echtes Schweizer Bier. Beziehungsweise viel Nachholbedarf, um die Konsumentinnen und Konsumenten von den Qualitäten der «echten» Schweizer Biere zu überzeugen.

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