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Wasserstoff- und Elektromobilität im Vormarsch

Ein Gespräch mit drei fenaco Experten über die emissionsfreie Mobilität.

Der Geschäftsführer von edrive carsharing, Samuel Brunner, und der Bereichsleiter Energie der LANDI Sursee, Thomas Arnold, sowie der Bereichsleiter Tankstellen von AGROLA, Ueli Wintsch, tauschen sich über emissionsfreie Mobilität aus.

Autofahrerinnen und -fahrer wollen sich immer nachhaltiger und klimafreundlicher fortbewegen – wie funktioniert dies mit Wasserstoff und wie mit elektrischer Ladung?
Ueli Wintsch: Beide Antriebsformen verfügen über einen Elektromotor. Bei der rein batterie-elektrischen Mobilität wird der Strom, den Fahrerinnen und Fahrer über eine Ladestationen zuhause, am Arbeitsplatz oder über eine Schnell-Ladestation an der Autobahn zuführen, für den Antrieb genutzt. Vorzugsweise stammt dieser aus erneuerbaren Quellen wie Sonnenkraft, wie das bei den Schnell-Ladestationen von AGROLA der Fall ist. Bei der Wasserstoff-Technologie kommen sogenannte Brennstoffzellen-Fahrzeuge zum Einsatz. Sie tanken Wasserstoff mit hohem Druck in den Druckbehälter. In der Brennstoffzelle wird der Wasserstoff mit Hilfe von Sauerstoff in Strom umgewandelt, der das Fahrzeug antreibt. An den AGROLA Wasserstoff-Tankstellen bieten wir ausschliesslich Wasserstoff aus grünem Strom an. Das heisst: Er wird mit Strom aus Wasser-, Wind- oder Sonnenkraft produziert. Beide Antriebsformen bieten demnach die Voraussetzungen, um die CO2-Emissionen im Strassenverkehr nachhaltig zu reduzieren. Klimaschädliche Abgase entfallen.

Ueli Wintsch, Bereichsleiter Tankstellen von AGROLA
« Beide Antriebsformen bieten die Voraussetzungen, um die CO2-Emissionen nachhaltig zu reduzieren. »

Wie viel Strom fliesst denn eigentlich in die Produktion der Antriebsformen?
Samuel Brunner: Am besten veranschaulicht dies ein Berechnung, die der Elektromobilclub Schweiz kürzlich veröffentlich hat: Ein Personenwagen benötigt für eine Fahrt von 100 Kilometern 11,6 Kilowattstunden. Fährt das Auto dazu mit einer solarbetriebenen Batterie, benötigt es 16,3 Kilowattstunden Ausgangsenergie, denn im Stromnetz, in der Batterie und im Elektromotor gehen 4,7 Kilowattstunden verloren. Der Energieverlust ist also sehr gering. Dieselbe Rechnung zeigt bei Wasserstoff einen grösseren Verlust von 27,5 Kilowattstunden, da die Produktion von Wasserstoff, der Transport per Lastwagen zur Tankstelle und die Umwandlung zu Strom in den Brennstoffzellen heute noch mehr Energie benötigt. Die Ausgangsenergie liegt bei 39,1 Kilowattstunden. Noch höher liegt die Ausgangsenergie beim Brennmotor mit 54,1 Kilowattstunden. Die Verluste entstehen bei Verbrennungsmotoren durch die Förderung, Raffinerie und Verteilung des Erdöls.

Welches sind die Vorzüge und Einsatzgebiete von Wasserstoff- und Elektromobilität?
Thomas Arnold: Aktuell stehen wir inmitten der Energiewende. Die Wasserstoff- und Elektromobilität sind zwei wichtige Bestandteile davon. Die Energiewirtschaft wird in Zukunft nicht auf Wasserstoff verzichten können, die Wasserstoffmobilität steckt jedoch aktuell noch in den Kinderschuhen. In den letzten Jahren konnte das Thema Wasserstoff in der Schweiz dank dem Förderverein «H2 Mobilität Schweiz» und dem Pioniergeist der H2-Tankstellenbetreiberinnen stark vorangetrieben werden. Die Wasserstoff-Technologie bietet alle Voraussetzungen, um die CO2-Emissionen im Strassenverkehr nachhaltig zu reduzieren. Bei den Nutzfahrzeugen entwickelt sich der Wasserstoff bereits jetzt infolge der Nutzlast und den langen Strecken zur optimalen Lösung. Ein Brennstoffzellen-Lastwagen tankt im Durchschnitt 15 Kilogramm und braucht dafür zirka 15 Minuten.

Ueli Wintsch: Der Förderverein «H2 Mobilität Schweiz», der unter anderem von der fenaco Genossenschaft und von AGROLA 2018 gegründet worden ist, hat zum Ziel, in der Schweiz ein flächendeckendes Netz an Wasserstofftankstellen aufzubauen. Denn es ist klar: Wasserstoff entwickelt sich als sinnvolle Option für lange Strecken und für hohe Leistungen.

Samuel Brunner: Die Minimalreichweite von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen erreichen eine komfortable Reichweite von rund 300 Kilometern. Je nach Batteriegrösse legen die meisten heutigen Fahrzeuge 300 bis 500 Kilometern zurück. Um die Batterien wieder zu laden, nutzen 80 Prozent der Fahrerinnen und Fahrer die Ladestationen zuhause oder am Arbeitsplatz. Im besten Fall kommt der Strom via Photovoltaikanlagen vom eigenen Hausdach. Rund 20 Prozent laden im öffentlichen Raum. Direkt auf der Autobahn an einer Schnell-Ladestation. Oder auch während eines Einkaufs im Einkaufzentrum.

Welche Energiequellen machen künftig für Landwirtinnen und Landwirte Sinn?
Ueli Wintsch: Der Dieseltraktor bleibt sicher noch eine Weile im Einsatz. Denn die technologischen Entwicklungen sind für landwirtschaftliche Fahrzeuge noch nicht am Ziel – weder bei der Wasserstoff-, noch bei der Elektromobilität. Für Personenwagen lohnt sich der Elektroantrieb aber bereits heute, idealerweise mit grünem Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage.

Samuel Brunner: Insbesondere für Landwirtinnen und Landwirte, die täglich mit strombetriebenen Geräten wie dem Melkroboter oder der Silofräse arbeiten, lohnt es sich, den benötigten Strom möglichst selbst abzudecken. So fallen die Netzkosten weg und sie können die Arbeiten auch ausserhalb der Niedertarifzeiten durchführen. Und wenn die Wasserstoffproduktion künftig günstiger wird, wäre es sicherlich eine Überlegung wert, dass die Landwirte den Wasserstoff für ihre Fahrzeuge selbst mit Sonnenenergie herstellen.

Thomas Arnold: Bereits heute kann man mit einem Batteriespeichersystem für zu Hause oder den Betrieb, tagsüber einen Teil des selbst erzeugten Solarstroms zwischenspeichern, um ihn zu einem späteren Zeitpunkt zu verbrauchen. Erzeugt die Photovoltaikanlage mehr Strom, als zum gleichen Zeitpunkt verbraucht wird, lädt sich somit der Batteriespeicher, anstatt dass der Strom ins allgemeine Netz eingespiesen wird. Ein Batteriespeicher, neben der Photovoltaikanlage, wird somit auch für die Landwirtschaft immer wichtiger.

Thomas Arnold, Bereichsleiter Energie LANDI Sursee
« Wasserstoffmobilität konnte sich dank dem Pioniergeist der H2-Tankstellenbetreiberinnen und dem Förderverein ‹H2 Mobilität Schweiz› stark entwickeln. »

Die LANDI Luzern-West hat eine Carsharing-Plattform für solarstrombetriebene Elektrofahrzeuge gegründet – weshalb?
Samuel Brunner: Wir wollten die Mobilität nachhaltiger gestalten und setzen daher auf 100 Prozent Solarstrom und Elektro-Carsharing. Entstanden ist die Plattform «edrive carsharing». Mit Hilfe von engagierten LANDI finden wir Partner wie Gemeinden oder Überbauungen. Ihnen stellt die LANDI ein Elektrofahrzeug gegen eine Pauschale zur Verfügung. Schlussendlich verteilen wir den Gebrauch eines Fahrzeugs auf mehr Nutzerinnen und Nutzer.

Thomas Arnold: Wir von der LANDI Sursee sind seit Februar 2022 Konzeptnehmerin von «edrive carsharing». Das erste Fahrzeug konnten wir prominent am Bahnhofplatz in Sursee platzieren. Weitere Standorte sind bereits in Planung.

Samuel Brunner: Schon 22 LANDI treten als Konzeptnehmerinnen in der ganzen Deutschschweiz auf und akquirieren Kunden. Unsere Flotte an Elektrofahrzeugen hat sich innerhalb eines Jahres von 20 auf 40 verdoppelt.

Thomas Arnold, wie hat sich die Wasserstofftankstelle in Zofingen entwickelt?
Von über 150 Tankstellen in Europa, verzeichnen wir in Zofingen erfreulicherweise den höchsten Wasserstoff-Absatz. Diese Entwicklung ist für die Schweiz und die ganze Branche sehr positiv. Unsere AGROLA Tankstelle in Zofingen wurde weit über die Landesgrenze bekannt und die Botschaft der absatzstärksten Wasserstofftankstelle wurde von verschiedenen Medienstellen und Geschäftspartnern europaweit in den sozialen Medien verbreitet.

Wie hat sich die Nachfrage für Wasserstofftankstellen schweizweit entwickelt?
Ueli Wintsch: In den kommenden Jahren sind massiv mehr Wasserstoff-Fahrzeuge in Europa und in der Schweiz zu erwarten. Deshalb haben AGROLA und die LANDI weitere Standorte definiert, die sich für Wasserstoff-Tankstellen eignen – neben den bestehenden in Zofingen (AG) und Rothenburg (LU).

Samuel Brunner, LANDI Luzern-West, Geschäftsführer von edrive carsharing
« Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage lohnt sich nicht nur für das Auto. »

Welche Entwicklungen zeichnen sich bei der Elektromobilität ab?
Samuel Brunner: Dreh- und Angelpunkt sind die Lademöglichkeiten zuhause. Da ein Grossteil der Bevölkerung zur Miete wohnt, müssten die Vermieterinnen und Vermieter bereit sein, in Ladestationen zu investieren. Beispielsweise in die Lösung von AGROLA für Mehrfamilienhäuser. Es bleibt spannend, was die Gesetzgeber von den Hauseigentümern verlangen.

Ueli Wintsch: Studienresultate lassen darauf schliessen, dass bis ins Jahr 2035 die Elektrofahrzeuge mehr als die Hälfte aller Fahrzeuge ausmachen. Zum Vergleich: 2021 war lediglich ein Prozent aller Fahrzeuge in der Schweiz elektrisch.

Samuel Brunner: Ich rechne damit, dass hybrid betriebene Fahrzeuge verschwinden. Für den Übergang von fossil zu elektrisch betriebenen Fahrzeugen waren sie eine gute Lösung, da sie den Lenkerinnen und Lenkern hinsichtlich Ladestand zusätzliche Sicherheit schenkten.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Tankstelle der Zukunft aus?
Thomas Arnold: Ich denke die Tankstelle der Zukunft wird zur Mobilitätsdrehscheibe. Neben dem schnellen Aufladen von Elektrofahrzeugen, dem Angebot von Wasserstoff und fossilen Energien werden die Zusatzangebote wie Wasch- und Reinigungsstrassen und die Detailhandelsangebote auf demselben Platz immer wichtiger.

Samuel Brunner: Das Netz für Schnell-Ladestationen für Elektrofahrzeuge wird sich an Autobahnen auf den Hauptverkehrsachsen rasch verdichten. Damit lassen sich längere Distanzen überbrücken. Im ländlichen Raum hingegen fahre ich in der Regel in einem Radius von 70 bis 100 Kilometern. Ich habe also immer genügend Reichweite. Vorausgesetzt, ich kann das Auto über Nacht zu Hause oder während der Arbeit am Firmenparkplatz laden.

Ueli Wintsch: Fossile Tankstellen wird es weiterhin geben. Die Nachfrage wird aufgrund der steigenden Anzahl an Elektrofahrzeugen jedoch rasch abnehmen.

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