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«Ich möchte dem Boden etwas Ruhe gönnen»

Immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten schätzen die alten, einst fast ausgestorbenen, reinen Dinkelsorten wie Oberkulmer und Ostro. Auch Landwirt Thomas Bruggmann ist von der Kultur begeistert.

Seit fünf Jahren ist Thomas Bruggmann auch UrDinkel-Produzent. Der umtriebige Landwirt hat auf seinen 25 Hektaren Ackerland mit verschiedenen, teils intensiven Kulturen bewusst auch auf bodenschonenden Anbau gesetzt.

«Ursprünglicher Dinkel ist ganz einfach eine coole Kultur. Sie ist robust, krankheitsresistent und die Direktsaat ist gar spät im Jahr noch möglich», schwärmt Thomas Bruggmann. Mit der Hand streicht er über seine Pflänzchen, die Mitte Mai tiefgrün und kniehoch auf einer ­Fläche von 2,5 Hektaren gedeihen. Der Landwirt aus Oberhofen in Münchwilen (TG) betreibt rund um seinen Hof «Bruggmann’s Oberhofen» 25 Hektaren Ackerland mit Kartoffeln, Sellerie, Erbsen, etwas Zuckerrüben, Mais, Sommerraps, Winterweizen und seit fünf Jahren auch UrDinkel, ein Label der «IG Dinkel» (siehe Infobox). Die drei Letzteren seien ideale Kulturen, damit sich der Boden von den anderen, intensiven Kulturen erholen könne. Denn der regelmässige Einsatz von schweren Maschinen oder von gelegentlichen Pflanzenschutzmitteln sei bei diesen Kulturen stark reduziert oder nicht nötig. «Ich hatte noch Weizen. Doch in den letzten Jahren erzielte ich bei gleichbleibendem Aufwand immer weniger Ertrag. Mit dem UrDinkel fand ich einen Ersatz, der dem Boden guttut und erst noch gefragt und daher lukrativ ist. Denn immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten schätzen die alten, einst fast ausgestorbenen, reinen Dinkelsorten wie Oberkulmer und Ostro. Dies wegen des nachhaltigen Anbaus und weil diese Getreide aufgrund der vielen Proteine, Mineralstoffe und Nahrungsfasern als gesund gelten», erklärt der 50-Jährige.

Einfallsreicher Tausendsassa
Im Jahr 2000 hat der gelernte Landwirt den Hof von seinen Eltern übernommen. Doch wegen einer Allergie auf Kuhhaare und einer nicht einwandfrei funktionierenden Betriebsgemeinschaft stellte er die einstige Milchwirtschaft vor 20 Jahren auf Ackerbau um. «Ich hatte schon immer Plausch am Ackerbau und am Hof und bin stolz, dass ich den Betrieb nun in fünfter Generation weiterführen kann», erzählt Thomas Bruggmann, der zusammen mit seiner Frau, den drei Kindern im Alter von 12, 14 und 16 sowie mit seinen Eltern auf dem Hof lebt. Damit ihm die Tiere nicht gänzlich fehlen, betreut die Familie heute 200 Legehennen, 40 Freilandtruten, sechs Freilandsauen und drei Alpakas. Zudem kümmert sie sich um 15 Bienenvölker. «Meine Frau wundert sich auch stets über all meine Ideen und Projekte. Ich probiere halt einfach gerne neue Dinge und Methoden aus. Dass etwas nicht geht, gibt es bei mir nicht», betont Thomas Bruggmann. Er fügt an: «Es wäre schön, wenn es eine gute Möglichkeit gäbe, den Strom der 800 Quadratmeter grossen Photovoltaikanlage zu speichern.» Nebenbei produzierte er dieses Jahr eigens für den Hofladen Spargeln und Erdbeeren. Geglückt ist ihm auch der Anbau von Sommerraps, der dann blüht, wenn der Winterraps bereits verblüht ist. «Zwei Hektaren habe ich davon angebaut und gute Erfahrungen gemacht. Die im Winterraps verbreiteten Schädlinge Erdfloh und Stengelrüssler sind im Sommerraps nicht mehr aktiv. Dieses Jahr versuche ich, meinen Raps extenso zu produzieren», sagt Thomas Bruggmann.

Zähes, ökologisches Gewächs
Nun sind seine Gedanken wieder ganz bei seinem UrDinkel-Feld, das sich nicht immer so prächtig präsentierte: «Nach dem Winter wuchsen die Pflänzchen mager, und immer wieder gab es Streifen, wo gar nichts wuchs. Doch dank des warmen, aber doch nicht zu trockenen Frühlings und der Zähheit der alten Dinkelsorten konnte sich die Kultur ausbreiten.» Auch dass Thomas Bruggmann vor Kurzem mit der Glattwalze über sein Feld gefahren ist, ist diesem kaum anzusehen. «UrDinkel zeichnet sich durch seine langen Halme aus. Sie werden bis zu eineinhalb Meter hoch, was die Standfestigkeit beeinträchtigen kann. Durch das Walzen werden die Halme gestärkt», erklärt er. Die langen Halme haben durchaus ihren Sinn: Dank der Höhe sind die Ähren besser vor Pilzkrankheiten geschützt und die im Halm enthaltenen pflanzeneigenen Reserven fördern die natürliche Reife des Korns. Bevor es Ende Juli so weit ist, ist auch die Arbeit für Thomas Bruggmann überschaubar: «Ich werde wohl nur noch einmal das Klettenlabkraut aus dem Feld striegeln müssen», so der Landwirt. Für die Ernte ist ein Lohnarbeiter mit seinem Mähdrescher zuständig. Danach bringt Thomas Bruggmann diese in die nahe gelegene Sammelstelle Getreide Mittelthurgau AG in Märstetten (TG). Die Sammelstelle, zu deren Aktionäre die fenaco, Produzentinnen und Produzenten sowie die LANDI aus der Region gehören, ist eine der grössten und wenigen verbleibenden im Thurgau. Sie nimmt 34 Getreidesorten (mit Umsteller-Getreide, Stand 2021) im Umfang von insgesamt 25 000 Tonnen entgegen. Darunter sechs verschiedene Dinkel- und UrDinkel-Sorten zu insgesamt 1000 Tonnen (rund 880 Tonnen UrDinkel), die je separat in einer Lagerzelle gelagert werden müssen. Die Vertragsfirma Mühle Wahrenberger in Lamperswil (TG) schält (röllt) und mahlt die Körner. «Das Endprodukt aus meinem Korn und demjenigen von anderen UrDinkel-Produzentinnen und -Produzenten aus der Region findet man nicht nur in den Bäckereien und Regalen von Volg und LANDI in der Umgebung, sondern auch bei uns in Form von Brot zum Beispiel für Anlässe oder im Hofladen in Form von Mehl», erzählt Thomas Bruggmann stolz. Die Regionalität, die auch von der IG Dinkel vorgeschrieben ist, findet Thomas Bruggmann sinnvoll und praktisch. So bezieht er auch Treibstoff, Futtermittel oder Pflanzenschutzmittel aus der nahe gelegenen LANDI Tannzapfenland (neu LANDI THULA), wo er Mitglied ist und weitere seiner Produkte wie seine Kartoffeln vertreibt.

Dinkel und UrDinkel

Dinkel gab es bereits 2400 v. Chr. und war bis ins 19. Jahrhundert hinein in ganz Europa weitverbreitet. Doch in der Industrialisierung ­liessen Mechanisierung, Handelsdünger, Pestizide und die gezielte Züchtung den Weizen gut gedeihen. Höhere Hektarerträge waren das Resultat. Die alte Dinkelkultur verschwand nach über 2000 Jahren Hochkultur beinahe ganz. 1995 gründeten Bauern und Müller die ­«IG Dinkel» mit Sitz im Bärau (Emmental BE), um den Anbau von reinem Dinkel in der Schweiz zu erhalten und wieder auszudehnen, und führten das Label UrDinkel ein. Ein Pflichtenheft regelt den Anbau, die Verarbeitung und die Deklaration:

  • Es dürfen nur alte, nicht mit Weizen gekreuzte Schweizer Dinkel­sorten verwendet werden.
  • Der Anbau erfolgt nach den Richtlinien von IP-Suisse oder Bio Suisse.
  • Die Betriebe, die UrDinkel produzieren, liegen in angestammten Anbaugebieten (Kantone Bern, Luzern, Aargau, Basel-Landschaft, Thurgau, St. Gallen, Solothurn, Jura, Zürich).
  • Getreidesammelstelle und Rollmühle befinden sich in der Region (in maximal 40 Fahrkilometern Distanz).
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