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Genomeditierung für Bauernhöfe?

Was die Genomeditierung für Betriebe bedeuten könnte, diskutieren Dr. Monika Messmer und Prof. Dr. Bruno Studer.

Durch Genomeditierung können Pflanzengene ganz gezielt verändert werden. Wann und ob überhaupt diese Methode in der Schweiz für die Praxis genutzt werden wird, bleibt offen. Zwei, die sich wissenschaftlich mit der Pflanzen­züchtung befassen, sind Dr. Monika Messmer und Prof. Dr. Bruno Studer.

Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die Pflanzenzüchtung?
Bruno Studer: Thematisch sehe ich folgende Herausforderungen: die Minimierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, die Ertragsstabilität unter zukünftigen klimatischen Bedingungen sowie die Ressourcen-Effizienz, das heisst, wie können Betriebe mit einem minimalen Input einen guten Ertrag produzieren. Strukturell muss sichergestellt werden, dass auch kleinere und mittelständische Zuchtbetriebe Zugang zu Know-how und Techniken haben, die an den Stand von Wissenschaft und Technik angepasst sind. Nur so ist eine fortschrittliche Züchtung möglich.
Monika Messmer: Klar ist die Zunahme der Wetterextreme das Thema. Die Pflanzenzüchtung muss Kulturpflanzen entwickeln, die sich an diese Bedingungen anpassen und flexibel auf verschiedenen Stress reagieren können. Es ist auch mit dem Auftauchen von neuen Krankheiten und Schädlingen zu rechnen. Da wir künftig weniger synthetischen Pflanzenschutz und Dünger zur Verfügung haben, müssen Strategien darauf abzielen, die Agrobiodiversität und damit die Ertragsstabilität sicherzustellen. Dazu gehören genetisch diverse Sorten mit höherer Anpassungsfähigkeit, Mischkultureignung, neue Kulturarten für unser Klima und ein Einbeziehen der Boden-Mikroorganismen.

Die Genomeditierung ist in diesem Zusammenhang als möglicher ­Lösungsansatz im Gespräch. In­wiefern unterscheiden sich die Methode und das Ergebnis von der Pflanzenzüchtung, wie sie aktuell betrieben wird?
Monika Messmer: Bei der klassischen Züchtung entstehen neue Variationen durch die Kreuzungen verschiedener Pflanzen. Die Nachkommen besitzen eine Mischung der elterlichen Gene in unterschiedlichen Kombinationen. Bei der Genomeditierung wird gezielt nur ein einzelnes Gen oder ein Gen­abschnitt verändert. Dazu werden synthetisch hergestellte, sehr kurze Gensequenzen mittels CRISPR / Cas9 in eine Pflanzenzelle eingebracht. Anschliessend wird meist durch In-vitro-Methoden eine Pflanze regeneriert. Diese Methode setzt voraus, dass man die verantwortlichen Gene für ein Merkmal kennt. Zum Beispiel kann das Gen für die Mehltau-Anfälligkeit gezielt ausgeschaltet werden. 
Bruno Studer: Was den Vergleich mit der klassischen Züchtung angeht, hängt es davon ab, wie man die Werkzeuge zur Genomeditierung einsetzt: Man kann damit einfache Mutationen, wie diese in der Natur auch vorkommen und in der Pflanzenzüchtung schon seit über 80 Jahren genutzt werden, an einer bestimmten Stelle erzeugen. Dies ist viel zielgerichteter als beispielsweise bei der Mutationszüchtung,­ wie sie in der klassischen Pflanzenzüchtung betrieben wird. CRISPR / Cas kann jedoch auch für klassische Gentechnologie eingesetzt werden. Die Genomeditierung ist ein vielversprechender Ansatz zur Lösung von Heraus­forderungen. Sie ist jedoch nur einer von vielen Ansätzen in der Pflanzenzüchtung – und genau so sollte diese Methode auch verstanden werden.

Dr. Monika Messmer, Leiterin Gruppe Pflanzenzüchtung am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL)
« Es ist schwierig abzuschätzen, welchen konkreten Nutzen einzelne Sorten im Schweizer Anbau hätten. »

Was bedeutet es für Landwirtschaftsbetriebe, wenn genomeditierte Sorten auf den Markt kämen?
Bruno Studer: Sorten aus neuen Züchtungsmethoden werden es nur auf den Markt schaffen, wenn diese einen Mehrwert zu herkömmlichen Sorten bieten. Ist das der Fall, werden diese neuen Sorten auch angebaut werden. Insbesondere bei der Resistenzzüchtung und der damit möglichen Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln sehe ich grosses Potenzial. Was dann genau zu berücksichtigen ist, hängt im Wesentlichen davon ab, wie die Wertschöpfungskette und wir als Gesellschaft mit diesen neuen Sorten umgehen.
Monika Messmer: Im Biolandbau sind gentechnische Methoden ausgeschlossen. Dies soll nach dem von der EU-Kommission 2023 veröffentlichten Entwurf auch für die neuen ­Züchtungstechniken gelten. Bevor es zu einem Anbau in der Schweiz käme, müssen Transparenz, Rückverfolgbarkeit, Deklaration und Massnahmen zur Co-Existenz von klassischen und genomeditierten Sorten gewährleistet sein. Schweizer Biozüchtungsprogramme und die Biosaatgutvermehrung brauchen Sicherheit vor einer Auskreuzung mit genomeditierten Pflanzen. Da weltweit nur wenig Sorten aus Genomeditierung kommer­zialisiert worden sind, ist es schwierig abzuschätzen, welchen konkreten Nutzen einzelne Sorten im Schweizer Anbau hätten.

Wie werden sich die Saatgutpreise entwickeln?
Monika Messmer: Ich denke, dass die Kosten für Saatgut von genomeditierten Pflanzen höher sein werden, um die ­Entwicklungskosten zu decken. Besonders zu Bedenken ist, dass sich mit den neuen Technologien die Mono­polisierung im Saatgutmarkt weiter verstärkt. Schon heute gibt es über 2000 Patentanmeldungen für «CRISPR» und «Kulturpflanzen». Während beim europäischen Sortenschutz klar geregelt ist, dass jeder Züchter mit einer zugelassenen Sorte weiterzüchten kann und Landwirtinnen und Landwirte ihr eigenes Saatgut vermehren dürfen, ist dies im Patentrecht stark eingeschränkt und für Züchter nur mit Lizenzabgaben möglich. 
Bruno Studer: Das ist ein Blick in die Glaskugel und hängt wiederum davon ab, wie der rechtliche Rahmen gestaltet wird. Landwirtschaftsbetriebe wissen in der Regel sehr genau, welchen Wert neue, verbesserte Sorten haben, und dass der Erlös am Ende des Jahres nicht nur vom Saatgutpreis abhängt. Wenn eine Sorte aus neuen Züchtungsmethoden robuster ist und weniger Pflege braucht, hätte das – zusätzlich zu den wegfallenden Kosten für Kulturführung und Pflanzenschutz – auch ganz viele ökologische Vorteile.

Prof. Dr. Bruno Studer, Professor für Molekulare Pflanzenzüchtung an der ETH Zürich
« Sorten aus neuen Züchtungsmethoden werden es nur auf den Markt schaffen, wenn diese einen Mehrwert zu herkömmlichen Sorten bieten. »
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